Medienkonsum in Zeiten von Corona

Medien und Corona – Wo liegt das Problem?
Viele Eltern mit Kindern im Schul- und Jugendalter sind aktuell alarmiert:
Der Medienkonsum ihrer Kinder ist in den vergangenen Monaten extrem ausgeufert. Das Smartphone wird scheinbar gar nicht mehr aus der Hand gelegt, die Spielekonsole wird zum gefühlt lebensnotwendigen Elixier, die Stars auf YouTube und „Insta“ stehen den Kids bald schon näher als die eigenen Geschwister. Kurz – die Jugendlichen nehmen kaum noch am „realen“ Leben (in der Familie) teil und verlieren sich in virtuellen Welten.
So oder so ähnlich klingen die Sorgen und Befürchtungen, die aktuell viele Eltern, aber auch pädagogische Fachkräfte umtreiben.
Sind die Sorgen berechtigt? Sollten Eltern und andere pädagogische Fachkräfte eingreifen? Und falls ja- was ließe sich verändern?

Was sagt die Studienlage?
Zwei sehr aktuelle Studien haben das veränderte Mediennutzungsverhalten in Corona-Zeiten unter die Lupe genommen: Die „JIMplus Corona“-Studie (Weiterführende Informationen) des medienpädagogischen Forschungsverbunds Südwest (mpfs) von April 2020, sowie die DAK-Studie zu Gaming und Social Media-Nutzung in Zeiten von Corona (Weiterführende Informationen).
Die Befunde sind relativ eindeutig und überraschen gleichzeitig wenig: Die Nutzung von Medien – vorzugsweise von Computer- und Konsolenspielen – hat unter dem corona-bedingten Lockdown im Frühjahr deutlich zugenommen. So gaben etwa 75% der 10 – 17-Jährigen an, dass ihre Computerspielzeit während des Lockdowns angestiegen sei. Laut Autoren der DAK-Studie weisen schätzungsweise 700.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland ein riskantes bis krankhaft gesteigertes Spielverhalten auf.

Wie sind die Ergebnisse zu bewerten?
Also haben die Eltern allen Grund zur Sorge?
Jein! Was auf den ersten Blick sehr besorgniserregend klingt, muss auch immer vor dem Hintergrund der außergewöhnlichen Bedingungen seit Beginn der Corona-Pandemie bewertet werden. Fast alle Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche sich außer Haus zu bewegen, sich gewohnten Sport- und Freizeitaktivitäten zu widmen oder sich mit Freundinnen und Freunden zu treffen, waren bzw. sind fortlaufend stark eingeschränkt bis zeitweise unmöglich. Seit November 2020 hält der zweite Lockdown nun schon an und ein Ende ist erst einmal ungewiss. Vor diesem Hintergrund scheint es zunächst recht verständlich, dass sich viele Kinder und Jugendliche in diesem völlig veränderten Lebensalltag zurechtfinden müssen und teilweise mit Langeweile, Einsamkeit oder Sorgen konfrontiert sind, die es zu bewältigen gilt. Und das betrifft übrigens nicht nur die Kinder: Die Studien zeigen nämlich, dass das Mediennutzungsverhalten der Erwachsenen in gleichem Maße anstieg wie das der Kinder und Jugendlichen.

„Medienkonsum“ ist nicht gleich „Medienkonsum“
Wie bei so vielen Dingen im Leben zeigen sich auch beim Thema Medienkonsum und Mediennutzung mindestens zwei Seiten der Medaille. So hat die Nutzung von und der Umgang mit Medien, gerade in Corona-Zeiten, einen festen Platz im schulischen Kontext. Digitales Lernen und digitale Lernmedien nehmen einen immer größeren Raum im Bildungsbereich ein und müssen von den Kindern und Jugendlichen kompetent genutzt werden. Das Aneignen von Wissen in bestimmten Interessensgebieten über Informationen aus dem Netz, bietet Möglichkeiten, von denen Oma und Opa (teilweise auch noch Mama und Papa) nur träumen konnten und häufig immer noch zu wenig wissen.
Natürlich werden Medien jeglicher Art auch zur Zerstreuung und zu Unterhaltungszwecken genutzt. Ebenso wird – und das wird von Eltern manchmal unterschätzt und nicht wahrgenommen – ein großes Bedürfnis nach sozialen Kontakten und Austausch mit Gleichaltrigen über den Gebrauch von diversen Medien gestillt. Nicht umsonst sprechen wir von den „Sozialen Medien“.
In der Jugendsuchtberatung würden wir einen gesteigerten Medienkonsum (bis zu einem gewissen Grad) deshalb zunächst als ein durchaus jugendtypisches Konsumverhalten bewerten. Denn auch in der Nutzung unterschiedlicher Medien bestehen Möglichkeiten der Bearbeitung jugendspezifischer Entwicklungsaufgaben. Mehr noch: In Zeiten der starken Kontaktbeschränkung wie dies aktuell der Fall ist, können manche Erfahrungen nur über den Gebrauch von Medien gemacht werden.

Erkennen, wann es doch zu viel wird
Es gibt unterschiedlichste Gründe und Bedürfnisse, die unser Medienverhalten beeinflussen – das gerade neu veröffentlichte spannende Spiel oder aber der Druck, ständig in den Sozialen Medien präsent zu sein, um das jugendtypisch recht ausgeprägte Bedürfnis nach Austausch, Beachtung und Bestätigung zu stillen. Wichtig ist dabei spezifisch jugendliches Konsumverhalten von missbräuchlicher Mediennutzung zu unterscheiden.
Wir sehen in der Jugendsuchtberatung vor allem dann eine problematische Entwicklung, wenn Medien (das gilt im Übrigen ebenso für Alkohol oder illegale Drogen) von Jugendlichen langfristig genutzt werden, um die im Alltag erlebten Spannungen und Frustrationen abzuwehren und zu verarbeiten. Dies passiert häufig dann, wenn es an anderweitigen Strategien zur Bewältigung von Stress, Spannungen, Kummer und Problemen mangelt oder ein Ausgleich durch Sport und andere Hobbies wegfällt. Eine aktuelle Studie bestätigt in diesem Zusammenhang, dass im zweiten Lockdown bereits fast ein Drittel der Kinder und Jugendlichen als psychisch auffällig betrachtet werden müssen. Vor Corona traf dies lediglich auf maximal ein Fünftel der Kinder zu (Weiterlesen).

Was können Sie tun?
Folgende Tipps und Informationen können Ihnen helfen, zumindest in Ihrem familiären Rahmen oder in der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, eine Grundlage für einen verantwortungsvollen und reflektierten Umgang mit Medien zu schaffen:

  • Bleiben Sie im Gespräch!
    Sprechen Sie mit den Kindern und Jugendlichen über deren aktuelle Sorgen, Ängste und was sie (auch über Corona hinaus) so bewegt.
  • Informieren Sie sich!
    Zeigen Sie (echtes) Interesse an den medialen Inhalten, die Ihre Kinder konsumieren. Schauen Sie sich gemeinsam Medieninhalte an, stellen Sie Fragen oder bieten Sie – je nach Alter der Kinder – Ihre Hilfe an, wenn sich Unsicherheiten ergeben.
  • Gehen Sie mit gutem Beispiel voran!
    Ob Sie es wollen oder nicht- Sie sind in vielen Dingen noch wichtiges Vorbild für Ihre Kinder. So auch in Sachen Medienkonsum. Gehen Sie also selbst mit gutem Beispiel voran, indem Sie den eigenen Medienkonsum kritisch hinterfragen und für sich, aber auch für Ihre Kinder alternative Freizeitbeschäftigungen und gemeinsame Unternehmungen (im Rahmen der aktuellen Möglichkeiten) organisieren.
  • Finden Sie gemeinsame Lösungen!
    Sinnvoll ist es zudem, für den Umgang miteinander und die gemeinsam verbrachte Zeit, regelmäßige medienfreie Zeiten abzustimmen. So können beispielsweise alle Smartphones der Familie zu den Essenszeiten an einem bestimmten Ort abgelegt werden, um zusammen eine ruhige Mahlzeit einzunehmen und so gleich auch Raum für Gespräche und Austausch zu schaffen. Die Kinder und Jugendlichen sollten an solchen Absprachen gleichermaßen beteiligt sein und sich nicht übergangen fühlen.
  • Was Sie auf jeden Fall beachten sollten:
    In der aktuellen Pandemie und den damit verbunden Einschränkungen, kann es immer wieder zu erhöhten Mediennutzungszeiten kommen. Eine verstärkte Mediennutzung ist in diesen Zeiten die einfachste Form, Langeweile zu bekämpfen und gleichzeitig mit den Freundinnen und Freunden in Kontakt zu sein, die sich in der Regel auch alle online bewegen und austauschen. In dieser Hinsicht lässt sich die Mediennutzung dann für einige Jugendliche als alternativlos bezeichnen.
    Versuchen Sie daher, die Situation mit einem gesunden Augenmaß zu bewerten und reden Sie dennoch mit Ihren Kindern über Ihre Sorge, dass sie zu viel Zeit mit Medienkonsum verbringen. Auch hier können Sie versuchen gemeinsame Absprachen und Regelungen zu finden, die für alle Seiten zufriedenstellend sind.

Sollten Sie weiterhin das Gefühl haben, dass das Mediennutzungsverhalten Ihres Kindes eine problematische Form angenommen hat oder sich unsicher sein, wie Sie den Medienkonsum Ihres Kindes einordnen können, dann nehmen Sie gern mit uns Kontakt auf! Die Beratung in unserer Fachstelle für Suchtvorbeugung und Jugendsuchtberatung ist kostenfrei und zudem unterliegen wir der gesetzlichen Schweigepflicht.

Sie sind pädagogische Fachkraft? Auch für fachliche Fragen rund ums Thema Medienkonsum sind wir gerne für Sie da. Sprechen Sie uns an, wenn Sie Interesse an Fortbildungen, Inhouse-Schulungen oder auch Beratungen von (Klein-)Teams zur Thematik haben.

Weiterführende Links zum Thema:

Informationen für Eltern & Fachkräfte

Klicksafe.de

Spieleratgeber NRW

Digitale Spielewelten

Jugendmedienkultur NRW

Landesanstalt für Medien NRW

Webhelm – Kompetent online

Institut für Medienpädagogik zum Thema Digitale Spielwelten

Frühkindliche Medienerziehung in Kita und Grundschule

Klick-Tipps – Apps und Webseiten für Kinder

Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe

 

Informationen für Kinder & Jugendliche:

Selbsttest zur Smartphonenutzung

Handysektor. Tipps für den digitalen Alltag

Gesunde Mediennutzung: Tipps für Jugendliche

 

Englisch/Mehrsprachig:

Smart Parenting in the digital age

Better internet for kids